Fragestellung formulieren und eingrenzen

„In der Wissenschaft ist die Frage immer wichtiger als die auf sie gegebene Antwort.“ Dieses Zitat des israelisch-amerikanischen Soziologen Aaron Antonovsky bringt sehr gut auf den Punkt, worauf es in einer wissenschaftlichen Arbeit ankommt. Die Qualität einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit steht und fällt mit der Fragestellung. Eine zu weit gefasste, zu allgemeine oder sogar fehlende Fragestellung bereitet in der Regel nicht nur Schwierigkeiten, die Abschlussarbeit zu schreiben, sondern dieses Defizit wirkt sich auch negativ auf die Benotung aus. Studierenden fehlt häufig die Erfahrung, welche Funktion sie erfüllt und wie sie sich sinnvoll eingrenzen lässt. Nach meiner Wahrnehmung ist die unzureichende Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage eine der Hauptursachen dafür, dass Doktoranden sich mit dem Schreiben schwertun oder die Doktorarbeit im schlimmsten Fall nicht beenden. Eine Doktorarbeit ohne eine Forschungsfrage ist nicht einreichungsfähig.

Der Kompass für Ihre wissenschaftliche Arbeit

Der Ausgangspunkt für die Wahl des Themas ist das eigene Erkenntnisinteresse, an das eine Fragestellung unmittelbar anknüpft. Erfahrungsgemäß haben Studierende und Doktoranden eine Idee für eine Fragestellung schon im Kopf, wenn sie sich erstmals konkret mit dem Thema beschäftigen. Stellen Sie sich dabei die Frage: „Was will ich wissen?“ „Was soll in meiner Arbeit untersucht werden?“ Sie lösen mit diesem Vorgehen weitere Fragen aus, die Ihnen eine Richtung vorgeben und helfen, das Thema einzugrenzen, Literatur zu sichten und auszuwählen sowie eine erste Gliederung zu erstellen.

Die Fragestellung ist der beste Kompass für eine Themeneingrenzung der Abschlussarbeit. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, sich möglichst früh mit der Fragestellung auseinandersetzen. Schreiben Sie also Ihre erste Idee für eine Fragestellung in einem ganzen Satz auf. In der Regel stellen sich weitere Fragen, die Teilaspekte Ihres Themas beleuchten. Auch diese erklärenden Fragen, die für den Einstieg, die theoretische Rahmung oder einzelne Kapitel relevant sein können, sollten Sie notieren, aber unbedingt darauf achten, dass sie mit Ihrer Hauptfragestellung korrespondieren, d. h., in die gleiche Richtung weisen. Je spezieller die Fragestellung ist, desto besser lässt sich das Thema eingrenzen. Bedenken Sie, dass Sie mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit nicht alle Facetten des Themas erfassen können, sondern nur einen kleinen Ausschnitt. Für die weitere Bearbeitung des Themas ist es sehr nützlich, wenn Sie Ihrer Betreuerin bzw. Ihrem Betreuer ein Exposee vorlegen müssen. Diese Vorarbeit bildet das Grundgerüst für die Einleitung. Dort folgt die Fragestellung im Anschluss an die Problemstellung.

Machen Sie auf die Fragestellung aufmerksam und stellen Sie W-Fragen

Es bietet sich an, in der Einleitung ausdrücklich auf die Fragestellung hinzuweisen. Folgende Formulierungen können Sie z. B. nutzen: „In dieser Arbeit geht es um die Fragestellung, …“, „Im Mittelpunkt steht die Frage, …“ „Es soll die Forschungsfrage untersucht werden, …“ usw. Achten Sie darauf, dass Sie W-Fragen stellen: „Welche Möglichkeiten und Grenzen …“, „Unter welchen Bedingungen …“, „Auf welche Art und Weise …“, „Welche Methode …“. Vermeiden Sie dagegen Ja-Nein-Fragen, die mit einem Verb oder „Ob“ beginnen und den Erkenntnisgewinn zu sehr einengen. Mit „Inwieweit …“ zeigen Sie dagegen die Erkenntnisse auf, die sich im Spektrum zwischen Ja und Nein bewegen, weil eine Entweder-Oder-Antwort auf die Fragestellung nicht zu erwarten ist. Die möglichen Antworten liegen also irgendwo zwischen den beiden Extremen. Nicht passend ist die Frage: „Ob und wenn ja wie …“, denn wenn die Frage mit Nein beantwortet wird, stellt sich die Frage nach dem „Wie“ nicht mehr. In juristischen Arbeiten sind Ja-Nein-Fragen manchmal angebracht, wenn es darum geht, zu überprüfen, ob ein rechtlich zu untersuchender Sachverhalt zutrifft oder ein Gesetzestext die Anforderungen erfüllt.

Die Fragestellung ist das Herz einer wissenschaftlichen Arbeit

Es bietet sich an, in jedem Kapitel zunächst zu klären, in welchem Zusammenhang die Fragestellung hier analysiert werden soll. Das Kapitel endet mit einem Zwischenfazit, indem Sie verdeutlichen, was Sie mit welchen Schritten gezeigt haben, und aufzeigen, in welchem Verhältnis diese Erkenntnisse zur Forschungsfrage stehen. Dabei sollten Sie beachten, ob ihre Argumention noch mit der Fragestellung korrespondiert. Scheuen Sie sich nicht, beides gegebenenfalls neu zu justieren, wenn Sie den Eindruck haben, die Argumentation passt nicht mehr so richtig zur Fragestellung. Im Fazit und Ausblick geht es schließlich darum, anhand der Fragestellung die wesentlichen Erkenntnisse der wissenschaftlichen Arbeit noch einmal zu reflektieren. Die Formulierung und Eingrenzung der Forschungsfrage ist in den gesamten Schreibprozess eingebettet. Denken Sie daran, die Fragestellung ist das Herz der Arbeit!

Falls Ihnen die Eingrenzung der Forschungsfrage Kopfzerbrechen bereitet, können Sie sich gern telefonisch oder per E-Mail an mich wenden.